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Mitreden, wenn etwas in deiner Stadt passiert!

Es wird gebaut. Überall und ständig. Das ist ja ein ganz gutes Zeichen, denn dann hat das Land oder die Stadt offensichtlich Geld. Oder es gibt Investoren, die investieren. Bauen ist auf jeden Fall immer gut für die Wirtschaft, nicht allerdings für den Verkehr oder die Nerven der gestressten Bewohner.

Damit die Bewohner einer Stadt allerdings Verständnis für die zahlreichen Baustellen aufbringen können, bedarf es der Bürgerbeteiligung. Bewohner einer Stadt möchten wissen, was um sie herum geschieht und warum die Straße vor ihrer Haustür morgens um 7 Uhr aufgerissen wird und die Fenster die nächsten 6 Monate nur noch nachts geöffnet werden können. Das Interesse der Bürger ist da, denn sie wohnen in den Gegenden, die sich verändern. Allerdings mangelt es an der Kommunikation zwischen Bewohnern und Entscheidern.

Bürgerbeteiligung. Was ist das?

Möchten Senatoren, Investoren oder andere wissen, was die Bewohner einer Stadt oder eines Ortes gerne hätten, dann stellen sie Fragen. Sie berufen Sitzungen ein und möchten die Leute dazu bringen, ihnen zu sagen, wo Verbesserungspotenzial schlummert. Bürgerbeteiligung beginnt mit Information.
Den Bürgern wird in diesen oft sehr trockenen Veranstaltungen mitgeteilt, dass Experten oder Investoren etwas verändern wollen. Bewohner allerdings haben auch oft Angst vor Veränderungen und sind daher nicht selten skeptisch. Manchmal sind sie auch so abgeneigt, dass sie diese Veranstaltungen gar nicht besuchen. Da liegt schon der erste große Fehler. Die Geldgeber fragen die Bewohner, weil sie ihnen etwas Gutes tun wollen. Bewohner sind aber leider allzu oft der Meinung, dass ohnehin über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Vielen ist gar nicht bewusst, dass eine Bürgerbeteiligung durchaus ernsthaft gewünscht und gefördert wird. Die Bewohner werden gefragt, was man verbessern könnte, was sie lieben und was sie erhalten möchten. Investoren und Politiker haben oft keine tiefen Einblicke in ein Gebiet und haben nur die Aufgabe, etwas zu verbessern. Teil ihrer Bestandsaufnahme ist daher, erstmal zu erörtern, was gut und was schlecht läuft. Da kommen die Bewohner ins Spiel: Sie müssen es den Entscheidern sagen! So läuft Kommunikation. Eine Seite fragt, die andere Seite antwortet. So funktioniert es in der Theorie.

Warum ist Bürgerbeteiligung wichtig?

Senatoren und Investoren wohnen oft nicht selbst in der Stadt oder in dem Ort, in dem etwas passieren soll. Sie bekommen Anweisungen oder Tipps, dass es da etwas zu verbessern gibt. Sie gehen also hin und versuchen heraus zu finden, was genau verbessert werden soll und was schon gut läuft. Dinge, die die Bewohner lieben, sollen natürlich bestehen bleiben, sodass Dinge, die stören, optimiert werden können.
Die Entscheider, so nenne ich sie mal, müssen sich informieren. Sie wollen ihre Informationen aus erster Hand. Von den Bewohnern. Auch wenn sie ausgebildete und diplomierte Fachmänner und -frauen auf ihrem Gebiet sind, müssen sie das Gebiet erst einmal genau kennen. Sie müssen die Schwachpunkte und die Stärken in und auswendig kennen, bevor sie etwas ändern können.
Um ihnen die Möglichkeit zu geben, das Richtige zu tun, muss man auf ihre Fragen antworten und ihnen mitteilen, wo es versteckte Schwächen gibt.

Wie funktioniert Bürgerbeteiligung?

Der theoretische Ablauf ist denkbar einfach. Wenn etwas unternommen werden soll, wird eine Veranstaltung organisiert. Dort gibt es dann alle vorläufigen Informationen und den Aufruf, seine Meinung zu äußern. Die Veranstaltung wird vorher in den Medien, regionalen Zeitungen oder mittels Aushängen bekannt gegeben. – Und dann wird gehofft, dass tatsächlich jemand kommt.
In mehreren Runden wird vorgestellt, gefragt und geantwortet. Bei der Berliner Stadtdebatte beispielsweise wird sehr schön online aufbereitet, was so passiert und geplant wird. Dort kann man sich immer informieren. Gerade heutzutage ist wichtig, Interessierten immer und überall die Möglichkeit zu geben, sich zu informieren. Durch die Vielzahl an modernen Medienkanälen ist es beinahe unmöglich, jeden direkt einzufangen. Viele haben keinen Fernseher, viele haben kein Radio. Facebook und Google filtern Informationen nach vermeintlicher Relevanz und Plakate helfen auch in den wenigsten Fällen. Unser medial überreiztes Gehirn hat einen wunderbaren selektiven Blick entwickelt. Da müssen schon größere Geschütze aufgefahren werden, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen.

Wie Bürgerbeteiligung besser gelingt.

Berlin ist ja ein Beispiel, in dem sehr viel gebaut wird. Die Großzahl der Bewohner hat allerdings keine Ahnung, was da passiert. Sie beschweren sich nur hinterher, dass immer über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Zu Wort gemeldet haben sie sich vorher aber auch nie. Warum? Weil die meisten gar nicht wussten, dass das geht!

In kleineren Städten ist das anscheinend einfacher. Ein paar tolle Beispiele von kleineren Städten gibt es, vielleicht sollten die großen Städte wie Berlin sich da mal etwas abschauen.

Generell gilt es, die Bürger nicht zu verschrecken. Oft sind die Menschen voreingenommen, wenn ein Projekt von oben herab initiiert wird. Bewohner fühlen sich aber viel wohler, wenn ein „Underdog“ etwas anschiebt und eine Veränderung von ‚innen heraus‘ gestartet wird. Wenn dann Hilfe von Außerhalb kommt, läuft alles viel besser.
Da das natürlich nicht immer passiert, wo es nötig wäre, ist es umso wichtiger, dass Kommunikation auf Augenhöhe passiert. Dass die Sprecher Sympathieträger sind und keine großen Reden schwingen. – Leichter gesagt, als getan, oder?
In Berlin werden die Menschen auf der Straße angesprochen. Oft sind es dort zwar Touristen, die letztendlich etwas sagen, aber man kann ja auch mal Glück haben, und eine interessierte Jung-Architektin kommt daher und fragt, was hier gerade für eine Action geht (siehe Foto mit Veronika Brugger und mir).

Stadtdebatte Berlin fordert die Aufmerksamkeit der Passanten ein und lenkt das Interesse auf die Veränderungen.
In Berlin fordern gigantische Gebilde die Aufmerksamkeit der Passanten ein.

Wie viel Bürgerbeteiligung braucht die Demokratie?

Sehr offensiv stehen in Berlin momentan große Gebilde herum, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollen. Natürlich laufen auch viele einfach daran vorbei, denn in Berlin ist man es einfach gewohnt, dass ständig irgendwas irgendwo aufgebaut wird. Allerdings sind sie ein guter Weg um Bewohner auf etwas aufmerksam zu machen, denn die, die jeden Tag daran vorbei laufen, merken auch, dass da jetzt ein neues Etwas mitten im Weg herum steht und beachtet werden will.
Bei mir hat es jedenfalls geklappt. Ich habe mir die Texte durchgelesen. Es ist eigentlich sogar richtig beschämend, dass ich mir die Texte durchlesen musste, um von der Stadtdebatte in Berlin zu erfahren. Ohne Fernseher und Radio geht das eben einfach an mir vorbei. Jetzt weiß ich aber Bescheid und habe mich brav in den Newsletter eingetragen. Ich hoffe, der ist auch spannend geschrieben, sonst fliegt der nämlich gleich wieder aus meinem Mail-Fach.

Oft genug wird ja auch vom sogenannten Wutbürger gesprochen, der an allem etwas auszusetzen hat. Aber gerade diese Menschen gilt es zu besänftigen, denn sie sind meist nur aus Angst so wütend. Angst davor, dass sich etwas verändert. Angst davor, dass es schlechter wird. Der Satz „Früher war alles besser.“ kommt da nicht von Ungefähr. Wenn sie nur wüssten, dass sie ernsthaft mitentscheiden dürfen, dann wären sie sicherlich weniger wütend. Sie könnten ihre ganze wertvolle Energie in Diskussionen und Ideenfindung einbringen und wären wirklich mehr als wertvoll. Auch Wutbürger haben Wünsche und Träume, die sie irgendwo in ihrem Herzen vergraben haben. Die wollen und sollen raus und in die Öffentlichkeit! Nicht mit Hasstiraden sondern als konstruktive Vorschläge und Kritik am Ist-Zustand.

Angewandte Bürgerbeteiligung – Wie es wirklich geht.

Kommunikation. Direkter Kontakt. Auf Augenhöhe. Wünsche wahrnehmen UND Wünsche äußern!
Bürgerbeteiligung wird von beiden Seiten gewünscht, aber beide Seiten sind blind dafür, wie mit dem anderen kommuniziert werden soll. Das muss sich ändern. Wichtig ist auch hier, dass man nicht mit Fachbegriffen um sich wirft, sondern Probleme und Lösungen anspricht.
Aus „Partizipation“ wird dann eben „Was willst du ändern?“ und schon versteht jeder Bürger, der weder Architektur noch Stadtplanung studiert hat, worum es überhaupt gehen soll.

„Was willst du ändern?“

Gerade das ist ein Grund, warum sich immer mehr Menschen wie Veronika Brugger (die ich zufällig am Wochenende kennengelernt habe) und ich uns mit Architekturkommunikation beschäftigen. Ich traf sie in der Nähe des Alexanderplatz der schon lange in der Diskussion war und momentan durch eine gigantische Baustelle verziert wird.

Machst du mit?

Wirst du in deinem Ort bzw. deiner Stadt um Mithilfe gebeten oder ist es bei dir eher noch dürftig, wenn es um Mitbestimmung geht?
Scheib deine Gedanken in die Kommentare und diskutiere mit!

Linksammlung zum Thema Bürgerbeteiligung:

Titelbild: © Theo Thiesmeier
Foto: © Julia Faßhauer

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