Neue Materialien in der Denkmalpflege? Ein Thema mit viel Diskussionspotential.
Dass auf dem Bau schon immer mit neuen Materialien experimentiert wird, ist nichts ungewöhnliches. Entwicklungen müssen sich schließlich auch erst etablieren. Manchmal funktioniert alles wie geplant, manchmal aber nicht. Wie handelt der Denkmalpfleger nun, wenn die historischen Materialien nicht gut funktioniert haben und es unwirtschaftlich wäre, ein Bauwerk mit genau den gleichen Materialien wieder herzurichten?
Um dieses Thema entbrennt schon seit jeher eine hitzige Diskussion nach der anderen. Die Sophienkirche in Berlin bietet ebenfalls Anlass für solche Debatten. Sie werden sogar provoziert.
Manchmal sind die historischen originalen Materialien einfach nicht wirklich gut. Darf dann mit modernen Alternativen nachgebessert werden?
An markanter Stelle der Kirche, in der Apsis in unmittelbarer Nähe zum Altar, prankt auf der wunderschönen Tapete ein schmutziger brauner Lumpen.
Dieser Lumpen hängt dort, damit er Aufmerksamkeit bekommt und Fragen aufwirft. Dass die dabei entstehenden Diskussionen nicht immer die Entscheidung befürworten, die am Beispiel der Sophienkirche getroffen wurden, wird da sogar sehr gern in Kauf genommen.
Die alte Tapete sah genauso aus wie die, die jetzt durch die Restauratoren wieder angebracht wurde. Allerdings wurden minderwertigere Materialien benutzt. Da die Sophienkirche nur als Provisorium aufgehübscht wurde, damit die Hohenzollern eine schicke Kirche hatten, während ihr Dom neu gebaut wurde, bestand nicht der Anspruch, langlebige Materialien zu benutzen. Es sollte zwar gut aussehen, aber günstig sein. Daher wurden zwar güldene Verzierungen auf der Tapete mühsam per Hand gezeichnet, als Metall wurde allerdings Bronze benutzt, die sehr schnell oxidiert und brüniert (braun wird), wenn sie nicht von der Luft abgesperrt wird. Diese Absperrung wäre unsagbar aufwändig gewesen, da jeder dieser Striche von Hand gesetzt wurde und die Lackierung nur partiell hätte stattfinden dürfen. Immerhin bestand der Reiz dieser Tapete daraus, dass matte und glänzende Flächen ein Zusammenspiel aus Glanz und Farbe bilden.
Die güldenen Striche auf der Tapete wurden also nicht versiegelt. Die Hohenzollern hatten ihren Dom fertiggestellt und die Sophienkirche verlor ihren stetigen blaublütigen Besuch. Die güldenen Partien hinter dem Altar wurden irgendwann unansehnlich braun und die Gemeinde entschied sich, die Tapete mit Ölfarbe zu überstreichen.
Das Aussehen von Kirchen und profanen Bauten ändert sich in der Zeit immer mal wieder. Früher war es nicht anders, als es heute ist. Jeder neue Besitzer möchte, dass sein Haus seinen eigenen Ansprüchen genügt. Es wird also stetig renoviert, umgebaut, eingerissen, ergänzt.
Sobald ein historischer Bau so weit herunter gekommen ist, dass man nicht mehr umhin kommt, etwas zu tun, stehen Restauratoren auf der Matte, wenn das Bauwerk denkmalgeschützt ist. Nach ausführlichen Bauforschungen und Untersuchungen wird einer der historischen Zustände wieder hergestellt. Oftmals ist es der, der unter all den Veränderungen am besten erhalten ist. Dabei muss immer ein Kompromiss eingegeangen werden. Entweder man berücksichtigt die ursprüngliche Planung des Architekten oder muss eine spätere Überformung als Ausgangspunkt für neue Planungen festlegen.
Ich bin mir nicht einmal selber sicher, welche Theorie meiner Meinung nach die richtige ist. Einerseits ist es durchaus nachvollziehbar den Zustand herzustellen, der direkt nach der Fertigstellung zu sehen war. Immerhin sollte im Fall der Sophienkirche der Hohenzollen-Kaiser eine prächtige vergoldete Tapete sehen. Dass diese goldene Farbe nicht lange gehalten hat, lag vermutlich an den Kosten. Bronze ist eben viel günstiger. Da die Sophienkirche sowieso nur als Provisiorium hergerichtet wurde, war es nicht einmal schlimm, dass die Bronze nicht lange golden geglänzt hat. Nachdem die Hohenzollern ihren Dom hatten, mussten sie ohnehin nicht mehr in diese kleine Kirche gehen. Es ist in dem Fall also wichtiger, zu zeigen, was die Hohenzollern während ihrer Anwesenheit gesehen haben.
Die andere Sichtweise besteht darauf, dass die Handwerker sehr wahrscheinlich genau wussten, dass die Bronze nicht lange halten würde. Daher war das Brünieren mit eingeplant und Teil des Entwurfes. Das entspricht der Argumentation von Architekten, die sagen, dass man ein Beton-Gebäude verdrecken lassen kann, weil der Dreck und die Algenbildung gewollte Patina sind. Das Haus wirkt so schon innerhalb von wenigen Monaten so, als würde es schon seit 50 Jahren leer stehen. Aber das nur am Rande.
Für mich sind beide Denkweisen nachvollziehbar. Was meint ihr dazu? Schreibt es in die Kommentare.
Liebe Kollegin, raumzeichner ist einfach gut gemacht. Gratulation und Grüße aus Österreich von Ute Stotter
Danke, das freut mich sehr!
Schöner Aufreißer, bravo! Und meine Meinung dazu: Die richtige Methode wenigstens für meine Kunden ist die, die am wenigsten Geld verschlingt bei größtmöglichem Substanzerhalt. Wo kein Kaiser mehr beprunkt werden muß und sowieso kaum einer in die Kirche geht, wo der Klingelbeutel ebenso Schwindsucht hat wie der Staatshaushalt, aus dem sich Denkmalgelder abzwacken lassen, darf die Prunksucht ruhig etwas weniger prangen.
Ein hochherziger Spender hat jüngst an einer unserer Kirchenrenovierungen quasi alles aus privater Tasche gestiftet. Und sich obendrein eine vergoldete Königskrone an der Kirchturmspitze der Christ-König-Kirche gewünscht. Haben wir erledigt und die Denkmalpflege hat zu dieser neuen Zutat gerne ja gesagt. Doch das ist ein anderer Fall.
Mein Motto: Wer zahlt, schafft an. Und wenn wir öffentliche oder private Gelder wg. Denkmalpflegetheorie verprunken, bekomme ich Bauchschmerzen und die Baukasse Schwindsucht. „Armut ist der beste Denkmalpfleger“ – da ist bestimmt was dran. Doch von der Not des Alltags abgehobene Gestaltungstheorien und gierige Denkmalprofis verfolgen weniger bestandserhaltende, als umsatzfördernde Theorien in der täglichen Baupraxis.