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Farben herstellen wie in alten Zeiten.
Kirchenmaler wollte er werden. Wie sein Vater. Schon früh stand für den jungen Adrian Neus fest, was er werden wollte, doch sein Vater wollte ihn nicht lassen. Erst nachdem er einige Jahre in eine andere Ausbildung investiert hatte, ließ sein Vater ihn das Handwerk des Kirchenmalers lernen. Offenbar hatte der Sohn genug Willen bewiesen. Inzwischen ist Adrian Neus anerkannter Restaurator, kennt die verschiedenen historischen Farben in- und auswendig und kann auf Anhieb sagen, welche Farben für welche Ansprüche geeignet sind. Die stellt er dann auch selbst her und lässt sich nicht von den Werbeversprechen der Industrie blenden. Er hat das richtige Rezept für Stein-, Holz- oder Putzanstriche immer parat und teilt sein wissen in Seminaren mit angehenden Restauratoren.
Im Rahmen der Qualifikation Denkmalpflege der Denkmal-Akademie lernen wir – eine Gruppe, die hauptsächlich aus Architekten und Mitarbeitern der unteren Denkmalschutzbehörden besteht – in einem eintägigen Schnelldurchlauf die verschiedenen Farben und ihre Verwendungszwecke kennen.
Direkt neben der spätgotischen Pfarrkirche St. Peter und Paul befindet sich das Waidhaus, ein grau gestrichenes Gebäude, das irgendwie zusammen gestückelt anmutet. Im obersten Geschoss des hohen Baus befindet sich die Werkstatt, die Schulungsraum, Arbeitsplatz und Experimentierstube zugleich ist. Der ganze Raum ist voll von Malereien. Manche sind auf Holz und manche auf Putzflächen gemalt, die in Holzrahmen angelegt worden sind. Fresken nennt man diese Malereien, die in den feuchten Kalkputz gemalt werden und somit zu einer Einheit mit der Wand verschmelzen. Ist der Maler zu langsam und der Putz bereits abgebunden, wird diese Einheit nie entstehen. Gelingt das Werk allerdings, ist die Malerei vor Regen- und Spritzwasser geschützt. Ein Trass-Kalk-Putz ist für Außenfassaden geeignet und die Malereien können so lange Zeit überdauern ohne von der Witterung zerstört zu werden.
Anders verhält es sich mit Leimfarben, die nur für den Innenraum geeignet sind und emfpindlich auf Feuchtigkeit reagieren. Früher wurden Leimfarben ganz un-vegetarisch aus Knochen und Häuten, später aus Pflanzenstoffen, hergestellt. Der Farbenleim wurde früher in Fässern gelagert und mühsam transportiert, heute kann man ihn einfach als Granulat im Fachhandel beziehen und mit Wasser anrühren. Später sind wir live dabei und können uns die Finger schmutzig machen. Die Vorfreude ist groß, doch zunächst hören wir weiter staundend zu und lernen, dass Lehmputze mit einer Kalklasur und Holzbalken mit einer Vorleimung grundiert werden können.
Kalklasuren eignen sich für Außenfassaden und zeigen ihre Deckkraft erst nach dem Trocknen. Es erfordert also Erfahrung, die Inhaltsstoffe für die Lasur richtig zu dosieren. An einem anschaulichen Beispiel einer Atelierwand können wir sehen, wie die Abstufungen von mehreren Kalklasur-Anstrichen decken und wie sie auf Spritzwasser reagieren. Die erste Schicht deckt erstaunlich gut, reagiert aber noch auf das Wasser. Ab der dritten Schicht ist der Anstrich deckend weiß und das aufgebrachte Wasser perlt einfach ab ohne einen Schaden zu hinterlassen. Das macht die Carbonatisierung, lernen wir, die eine schützende Schicht auf der Oberfläche entstehen lässt. Kalklasuren sind günstig und einfach herzustellen und können nach einigen Jahren einfach abgebürstet werden, wenn sie verwittert sind. Danach kann die Lasur neu aufgetragen werden und die Fassade in neuem Glanz erstrahlen.
Wir sind gebannt von der Arbeit mit Farben. Beim Besuch im Schlesischen Museum zu Görlitz würdigen wir die ausgestellten Exponate kaum eines Blickes. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf die Steinmetzarbeiten und die Malereien. Helle Stellen im Stein verraten uns, dass dort neues Material eingebracht wurde. Exakt wurde darauf geachtet, keine überstehenden Ränder zu bilden und penibel wurden die Materialanforderungen eingehalten. Eingebrachtes Material muss immer weicher als das Original und damit der Eingriff in das Denkmal reversibel sein. Es klingt fast wie im Krankenhaus, wenn wir von Eingriffen und Rekonstruktionen sprechen, und ähnlich lang wie im OP scheint uns die Liste an Vorschriften, die es einzuhalten gibt. Höchste Aufmerksamkeit, Konzentration und Geduld braucht auch nicht nur der Herzchirurg sondern auch der Maler in der Restauration. Ergänzte Flächen werden mühsam und sorgfältig gepunktet oder gestrichelt. Striche dürfen eine Maximallänge nicht überschreiten, an ihrer dicksten Stelle nicht mehr als 2mm aufweisen und müssen linsenförmig an Anfang und Ende spitz zulaufen. Die senkrecht verlaufenden Striche werden so dicht gesetzt, dass sie die Lücke in der Malerei optisch schließen, bei nahem Betrachten allerdings preisgeben, wo nachgearbeitet wurde.
Mit neuem Wissen sehen wir nun die Wand- und Deckenmalereien im restaurierten Gebäude in ganz neuem Licht und können unsere Blicke kaum von den Fenstergewänden und Türlaibungen lösen.
Im Anschluss lernen wir, wie Farben selbst produziert werden: Wir stellen eine Leimfarbe her, oder schauen zumindest dabei zu. Zwei Bottiche mit Wasser stehen bereit, dazu ein Päckchen speziellen Leimpulvers und ein geöffneter Sack mit feinster Kreide aus der Champagne. „Die hat einen schönen gelblichen Weißton, nicht so kalt und grau wie die Kreide von Rügen.“, erklärt uns Herr Neus. – Aus der Champagne ist eben alles edel und champagner-farben, schlußfolgern die wissbegierigen Teilnehmer mit ausgelassenem Humor.
Die Farbe wird angemischt. Einsumpfen nennt sich der Vorgang, wenn in den Bottich mit Wasser die Farbpigmente (in unserem Fall die Kreide aus der Champagne) langsam eingerieselt werden. So langsam, dass sie sich schön flächig im Wasser verteilen und so viele, dass zum Schluss ein kleines Häufchen oben stehen bleibt.
Aus der Pigmentmischung und dem Leim entsteht die Leimfarbe. Eigentlich ganz einfach, oder? Man muss nur wissen, wie es geht und ein Gefühl dafür entwickeln. Diese beiden Punkte allein aber reichen schon, dass die Malerausbildungen heutzutage schon daran scheitern und die Auszubildenden weder ein Gespür für Farbigkeit noch für die Herstellung ihrer eigenen Arbeitsmaterialien haben – geschweige denn welche Eigenschaften sich wo für eignen. Natürlich gibt es auch glorreiche Ausnahmen in diesem Bereich, aber die Masse der Malereibetriebe weiß kaum noch etwas über das Medium Farbe. Sehr schade, denn nicht nur im Denkmal gehört Materialwissen einfach zum A und O um Bauschäden langfristig zu vermeiden.
Bei Adrian Neus haben wir eine Menge über Farben und das ursprüngliche Handwerk des Malers gelernt. Die angehenden Denkmalpfleger wissen nun, worauf es ankommt und wurden für den Umgang mit verschiedenen Farben sensibilisiert. Außerdem wurde noch verstärkt betont, dass Gebäude nicht wartungsfrei sind und man sich (was ja leider viel zu oft vergessen wird) auch um seine vier Wände ab und zu kümmern sollte.
Erreichen kann man Herrn Neus hier:
DENKMALWERKSTATT
ADRIAN NEUS
Obere Klimbach 14
97842 Karbach
+491713102950
ADRIAN NEUS
Obere Klimbach 14
97842 Karbach
+491713102950
Hallo Julia, schöner Erlebnisbericht von eurer Schulung! Das ist ein spannendes Thema, in das ihr da eine Einführung bekommen habt. Ich durfte ein Jahr lang (Vollzeit) die unterschiedlichen Techniken, Mischungsverhältnisse, Anwendungen, Zusammensetzungen und und und lernen, natürlich auch anwenden und später in Kursen mein Wissen weiter geben. Man lernt nicht nur die Basis des eigenen Berufs etwas besser kennen, sondern kann auch viel für das eigene Zuhause mitnehmen. Was fandest du denn an eurer Schulung am besten? Ich fand ja immer Farben (mit Pigmenten) anmischen richtig cool – 1/2 Gramm zuviel Pigment und schon war die Farbe fast versaut :D
Liebe Grüße,
Anett
Hey Anett,
das klingt ja wirklich spannend. Wo durftest du denn in Vollzeit Farben mischen?
An unserer Schulung finde ich im Prinzip fast am Besten, dass man nach einiger Zeit eine richtige Freundschaft zu den anderen Teilnehmern aufbaut. Das merkt man direkt, wenn mal ein paar Einzel-Besucher dazu stoßen und sich kaum integriert bekommen. Zwar werden sie neugierig ausgefragt was sie so machen und wo sie herkommen, aber inzwischen ist unser „harter Kern“ eine richtige kleine Gemeinschaft. – Und natürlich ist der Kontakt zu den ganzen Referenten Gold wert. Sich mit ihnen unterhalten macht so viel Spaß und bringt meist mehr als der Vortrag an sich.
Nächste Woche machen wir ein Aufmaß. Da bin ich mal gespannt. Ich hab zwar schon 2 Jahre lang fast Vollzeit Aufmaße gemacht, aber diesmal soll es anders werden. Ich lass mich überraschen und hoffe, dass es Spaß macht ;)
Beste Grüße,
Julia