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Für Architekten Gedanken Urbanes

In die Höhe strebt der Mensch

Neulich im Fernbus von Kaiserslautern über Mainz und Frankfurt nach Berlin, kam während der Fahrt durch Frankfurt in der Reihe hinter mir folgende Frage auf:

„Warum bauen die hier überall so komische hohe Häuser? Überall wollen sie Türme bauen!“
Das mit den Türmen und dem menschlichen Streben in die Höhe ist nichts Neues. Bedenken wir den sagehaften Turmbau zu Babel als großes Streben nach Macht- und Kraftbekundung, können wir sehen, dass dieser Anreiz schon immer die Geister spalten konnte. In diesem Fall sogar recht effektiv durch das entstehende Unverständnis aufgrund der sprachlichen Abkapselung der Menschengruppen. Sehr sinnbildlich zeigt uns dieses Beispiel, dass auf dem Bau Verständigungsprobleme auftreten, dass die Menschen eine ‚andere Sprache‘ sprechen und man dieser Hürde nur mit aufwändiger und stetiger Konversation entgegen treten kann.

 

Ein Beispiel aus dem Leben eines Architekten

Bei der Planung einer Hotellobby stellt der Statiker immer und immer wieder eine dicke Säule an die gleiche stelle. Der Architekt plant sie immer wieder weg. So dreht sich das ein paar Wochen im Kreis, bis der Architekt sich ein Herz fasst, anruft und erklärt, warum er da bitte keine Stütze haben möchte. Sie stünde direkt auf der Achse zwischen Haupteingang und Empfang und würde den ganzen Raum spalten. Nach 15 Minuten Gespräch einigen sie sich, die Stütze zu versetzen und einen dickeren Unterzug einzusetzen, der im Raum nicht einmal auffallen würde, da die Decke ohnehin an dieser Stelle aufgrund des Lichtplanes abgehängt werden sollte. – 15 Minuten Gespräch haben also geklärt, was zuvor mehrere Wochen für Frust und Ärger sorgte.

 

Die gen Himmel strebenden Türme aller (zB. christlicher) Kirchen haben neben dem Beweis für konstruktives Können einen viel subtileren Grund. Die Gebete und Wünsche der Menschen sollten nicht am Boden kleben bleiben, sondern Gott nahe gebracht werden. Türme und hohe Kirchenhäuser sollten eine Verbindung zu Gott ermöglichen. Der Mensch will quasi ‚nach Hause telefonieren‘ und dem Schöpfervater nahe sein. Baumeister überboten sich bei dem Versuch, den höchsten Turm zu bauen, gegenseitig und bewiesen ihr konstruktives Können. Die Städte und Gemeinden bewiesen damit ihren Glauben und boten die Möglichkeit sich vor ewigen Qualen im Fegefeuer zu retten.
Türme sind aber auch oft Wahrzeichen von Städten, die schon jeher von Weitem gesichtet werden konnten und Reisenden Orientierung boten. Als die umliegende Bebauung noch flach und unscheinbar war, konnte ein hoher Kirchturm Auskunft darüber geben, ob man sich seinem Ziel näherte oder sich davon entfernte. Auch heute sind es die hohen Gebäude, die den Menschen Orientierung bieten. Skylines bestehen aus den Gebäuden, die aus der flachen Masse heraus stechen und einzigartige Formen haben. Nicht umsonst erkennt ein jeder die Silhouetten von London, Berlin, Paris und NewYork. Da ist er wieder, der Orientierungspunkt. Beziehungsweise: viele davon. Denn ihre Masse und Einzigartigkeit gibt uns den Wiedererkennungswert.

 

Mit der Zeit kamen aber noch andere, viel trivialere Gründe auf Bauherren und Baumeister zu. Mit der wachsenden Bevölkerungszahl und -dichte wurde in Ballungsgebieten der bebaubare Boden immer teurer. Jeder wollte ein Stückchen von dem Kuchen und jeder einen Firmensitz oder eine Bleibe haben.
Firmen und Menschenmassen wuchsen unaufhörlich und der Boden wurde immer knapper. Die Nachfrage bestimmt den Markt, und da Boden eines der Güter ist, das nicht nachproduziert werden kann, stiegen und steigen die Preise für Flächen. Dabei ist es fast egal, ob es sich um Baugrund oder Wohnfläche handelt. Fläche ist begehrt und es gibt sie nur in begrenztem Maß. Um größere Firmen oder mehr Wohnungen auf wenig Baugrund zu stellen, bleibt einem nichts anderes übrig, als in der Vertikalen zu planen. Damit entstehen in den heiß begehrten Städten immer höhere Häuser. Da dieser Trend nicht abebbte, wurden die Standflächen der Gebäude immer schmaler. Es  bedarf nicht einmal Stift und Papier um heraus zu finden, dass man hoch stapeln muss, um die benötigten Volumen dennoch unter zu bekommen.

Die Frage nach dem Grund der hohen Häuser könnte noch weiter beantwortet werden, aber dies soll vorerst genügen. Um die Wirkung der Hochhäuser auf Städte und Menschen kann man sich streiten.Wirken Türme auf euch eher einschüchternd oder erhaben und machtvoll?

[ut_alert color=“grey“] Dieser Beitrag gehört zu „magic letters – h wie hochkant“ von Paleica. [/ut_alert]

5 thoughts on “In die Höhe strebt der Mensch

  1. Hallo Julia,

    danke für die schönen Blogpost :)

    Ich bin in der Nähe von Frankfurt aufgewachsen und daher an die Skyline und Mainhatten gewöhnt. Für mich bedeutet das ein Stück weit Heimat und mir wird immer warm ums Herz, wenn ich sie sehe, vor allem, wenn ich mal eine Zeit lang weg war.

    Daher hat sich für mich auch nie die Frage nach dem Warum gestellt. Eher nach dem „Warum-ist-das-in-anderen-Städten-nicht-so?“.

    Einschüchternd fand ich die Hochhäuser noch nie. Nicht mal die in New York. Im Gegenteil! Ich habe mich sofort heimisch gefühlt, als ich 2009 das erste Mal in Manhattan war.

    Liebe Grüße
    Barbara

    1. Hey Barbara,
      einschüchternd finde ich als Hauptstadtgewächs hohe Häuser auch nicht, obwohl Berlin ja eher flach gebaut ist… Da ist eben noch ein bisschen mehr Platz, auch wenn der nach und nach tatsächlich immer weniger wird.

      Eine gewisse FB-Umfrage-Seite bestimmte mal, dass meine Wahlheimat NewYork sein sollte, vielleicht hat sie ja Recht, ich weiss es nur noch nicht, weil ich noch niemals in NYC war, geschweige denn in Amerika. Ein FauxPas den ich schleunigst beheben sollte ^^
      Danke für deine lieben Worte,
      Liebe Grüße
      Julia

  2. ich mag skylines von städten gern. wir sind in wien ja nicht unbedingt mit sowas gesegnet, obwohl sich „drüber“ der donau langsam auch so etwas etabliert. dass wir es innerhalb der stadt nicht haben, finde ich aber eigentlich ganz angenehm. ein schöner beitrag, danke fürs mitmachen!

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