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Arbeitswelt Für Architekten

Plötzlich Architekt

Viel Zeit bleibt einem als AiP (Architekt im Praktikum / Absolvent in der Praxis, jeder versteht etwas anderes darunter) nicht, aber mit genügend Zeitmanagement kann man auch neben der Arbeit im Büro produktiv an eigenen Zielen arbeiten.

Zeitmanagement nach der Uni

Mein Jahresziel, einen Gastbeitrag zu schreiben, wurde schon umgesetzt und so erschien Anfang Januar auf Stadtsatz ein Artikel zur Wirkung von Architekten auf ihre Umwelt.

weniger Komfort

Die Umstellung vom Uni- auf den Arbeitsmodus ist aber nicht unbedingt einfach. Wenn man vorher ewig zu Hause saß und auf Sofa oder gar Bett die Pläne für die nächste Abgabe anfertigte, so muss man heute um 5 oder 6 aufstehen und in einem ansehnlichen Zustand um 8 auf der Arbeit antreten. Hat man früher seine Zeit oft im Arbeitsraum in der Universität verbracht und dort mit Kommilitonen gerne mal eine Stunde über ein Detail eines Entwurfes gefachsimpelt, dann muss man jetzt innerhalb von 10 Minuten ein Detail lösen oder ein anderes in Betracht ziehen. Man darf sich nicht mehr verplauschen und man legt sich nicht mehr über zwei Stühle während man eine Ansicht zeichnet.

Bürodepression

Arbeiten im Büro ist weitaus unbequemer, als das Arbeiten im ungezwungenen Umfeld. So kommt es auch, dass man nach nur 8 Stunden Arbeit im Büro gerne mal erschöpfter ist als nach 16 Stunden im Arbeitsraum oder am Küchentisch. Man wird zur Effektivität gezwungen, was im Endeffekt aber gar nicht gut sein muss, denn man ist sicherlich nicht die 8 geforderten Stunden hochproduktiv. Der Kopf braucht ab und zu einfach eine Auszeit. Man kann ihn zwar mit Kaffee und Energy zwingen, Leistung zu bringen und Aufgaben mehr oder minder schnell abzuarbeiten, aber allein das ‚offizielle Umfeld‘ eines Büros kann den kreativen Geist sehr einschränken. Auch bei Aufgaben, die keinerlei Kreativität bedürfen, kann es durchaus sein, dass man viel schneller ermüdet. Mal eben spontan mit einem Kommilitonen joggen gehen oder eine Runde mit dem Mountainbike drehen, wenn man merkt, der Kopf ist nicht mehr bei der Sache, geht nicht mehr. Das führt dazu, dass sich Stress ansammelt. Man fühlt sich zunehmend unwohl und wenn man ein sehr freiheitsliebender Mensch ist, dann fühlt man sich auch im sprichwörtlichen goldenen Käfig eingesperrt.

Fortbildungen

Neben all den unliebsamen Eigenschaften der Umstellung von Uni auf Büroalltag gibt es aber immer noch ein paar gute Sachen an der Zeit direkt nach der Uni. Bis man die rund zwei Jahre Berufserfahrung gesammelt hat, ist man von den Architektenkammern dazu gezwungen, Schulungen zu besuchen um sich weiter zu bilden. In manchen Bundesländern ist es auch später in etwas geringerem Umfang noch Pflicht, aber Seminare und Kurse sind Bestandteil des AiP-Lebens.

Während man Vorlesungen früher noch verteufelt hat, bietet eine Schulung nach dem Abschluss wieder die Möglichkeit, das Gehirn mit Input zu versorgen, den man im Büro schmerzlich zu vermissen lernt. Man knüpft Kontakte, hat für einen oder mehr Tage ein frisches neues Umfeld und wird manchmal sogar von einem Caterer besser versorgt, als man es im Alltag selbst macht.

 keine freie Zeiteinteilung

Das Ziel, nach Korea zu reisen, wurde zugunsten des Ziels, viel über Denkmalpflege zu lernen, verschoben. Anstatt der langen Koreareise gibt es nun die Fortbildung Qualifikation Denkmalschutz der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für das neue Jahr 2015. Das war schon im Dezember abzusehen, aber ich bin mir noch gar nicht sicher, ob das nicht vielleicht doch eigentlich eine Gute Nachricht ist. Eine Fortbildungsreihe kann einen ein ganzes Jahr beschäftigen und einen immer wieder für 1-5 Tage aus dem Büro holen. Allerdings kann man in dieser Zeit auch keinen Urlaub nehmen. Wenn der Kurs also ein mal im Monat einmal Anwesenheit bedingt, kann man nicht mal eben wegfahren. Denn die Woche davor und danach wird man ja im Büro gebraucht. Des Weiteren kann man Pech haben und die Mitarbeiter mit Kindern bekommen in den Ferienzeiten frei. Will man selbst in der Zeit mit Freunden, die vielleicht auch auf Schulferien angewiesen sind, in Urlaub fahren, kann man bei einer Urlaubssperre in dieser Zeit das Nachsehen haben.

Auf dem Bau ist man teilweise auch davon abhängig, wann die Vielzahl der Firmen, mit denen man zusammen arbeitet, Betriebsferien haben.

Identifikationsproblem

Während man in der Uni hinter seinen Projekten stand und sie wie eine Löwenmutter verteidigte, kann man als AiP das Pech haben, die eintönigsten Aufgaben aufs Auge gedrückt zu bekommen. Man kann sich ja nicht wehren. Die Chefs und die älteren Mitarbeiter suchen sich die Rosinen (oder andere bevorzugte Aufgaben) heraus und für den AiP bleibt das übrig, wofür der Praktikant noch nicht qualifiziert genug ist. Oder er muss den Praktikanten unterstützen. So werden im Akkord Pläne gefaltet, Planköpfe ausgefüllt, Massen für das 382. Wärmedämmverbundsystem (WDVS) gezogen, Bauanträge kopiert oder Telefonate angenommen.

Hat man nicht das Glück, ein ansprechendes Projekt zugewiesen zu bekommen, muss man eventuell sogar gegen seine eigenen tief verwurzelten Prinzipien arbeiten, weil der Kunde das so will und dafür bezahlt. Architekten haben oft das Bedürfnis, die Welt zu verbessern, weil sie wissen, wie es besser und ökologischer gehen würde, aber Bauherren interessieren sich meist für’s Geld und wenn nicht, dann hätten sie gern genau das Design, das ihnen vorschwebt, auch wenn dafür Materialien genutzt werden (müssen), denen man ggf. skeptisch gegenüber steht.

Jede freie Minute nutzen

Man ist es nicht gewohnt, sich plötzlich an stetige Feierabende halten zu müssen. Spontanes Mittagessen mit den anderen in der Mensa oder ein Meeting im Café sind selten drin. Da muss man schon die Bahnfahrten oder die meist viel zu verplanten Wochenenden nutzen, um ein gutes Buch zu lesen oder anderen Projekten nachzugehen. Auch eine Webseite ist ein solches Projekt. Im neuen Jahr hat sich das Aussehen von Raumzeichner minimal geändert. Beitragsbilder sind jetzt quadratisch, statt bannerförmig. Ich steh ja total auf Quadrate, auch wenn mich gerne manch einer steinigen will. Das kam so zwischendurch, neben Arbeit, Freunden und Schulungen. Ist man nach der Uni zum ersten Mal Pendler, lernt man es zu schätzen, wenn man endlich wieder zu Hause ist. Vor allem wenn im Winter die Bahnen nur fahren, wie sie wollen.

Sobald es abends länger hell ist, kann man nach Feierabend die Parks besuchen und da ein wenig Sonne tanken, sich mit Freunden treffen und vielleicht auch wieder etwas Outdoorsport betreiben. Sitzt man im Büro, kann man gerade im Winter den Zustand haben, vor Sonnenaufgang im Büro anzukommen und erst in der Abenddämmerung die Tür wieder hinter sich zu zu ziehen. Obwohl man auch im Sommer manchmal sehr lange arbeitet und teilweise bis in die Nacht schuftet, sollte es zumindest da eine Ausnahme sein. Im Winter kann es einem gerne mal 3-4 Monate am Stück so gehen und nicht alle vertragen das gut. Was machst du im Winter, um deine Portion Sonne zu tanken?

eine Frage der Sichtweise

Anetts Blogparade #Raumgefühl hat mich im Dezember dazu inspiriert, nochmal das Architektur-Gebäude der TU Kaiserslautern unter die Lupe zu nehmen. Da ich so etwas wie „Heimweh nach Bau Eins“ empfinde, traue ich mich fast zu sagen, ich hätte mich mit der Studienzeit wieder versöhnt. Mit den Lehrmethoden zwar nicht, aber das Studieren wünsche ich mir doch wieder zurück und eine Zukunft ohne Studium kommt mir so surreal vor, nachdem diese Institution 7 Jahre meines Lebens bestimmt hat.

Ziele verfolgen

Gerade wenn die Zeit langsam knapp wird, ist es wichtig, Ziele im Auge zu behalten. Natürlich kann man sich sein Notizbuch voll schreiben oder mit PostIts die Wohnung schmücken, aber es geht auch im Kollektiv. Ein solches kollektives Aufrütteln habe ich schon Ende letzten Jahres vorgestellt. Da der Monat nicht genug Tage hat und es den Umfang dieser Seite doch sprengen würde, wird Erik nicht jeden Monat vorbei kommen und etwas erzählen, sondern jeden zweiten Monat Bericht erstatten, welche Ziele erreicht und welche verworfen wurden. Immer am letzten Donnerstag des Monats, das nächste Mal also im März. Damit gibt es auf Raumzeichner zur Zeit zwei regelmäßige „Serien“. Einmal EriK und dann „3 Bilder aus…„. Wer findet, dass EriK eine gute Idee ist, kann sich auf meldipi.com anschauen, wer noch alles mit dabei ist.

Bist DU gerade AiP? Wie findest du dein neues Leben? Hast du vielleicht Ratschläge oder Hinweise?

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5 thoughts on “Plötzlich Architekt

  1. Super Text, sehr unterhaltsam. Da sind viele wichtige Punkte drin, die man am Anfang, wenn es losgeht mit der Bürotätigkeit, gar nicht so realisiert, z. B. das mit dem Arbeiten von vor Sonnenaufgang bis in den Abend. Merkt man dann später.

    1. Das stimmt, sogar in meinen Praktika, die ich teilweise 6 Monate im gleichen Büro hatte, war das eher selten. Da wird man dann doch noch ein klein wenig unter den Welpenschutz gestellt.

  2. ja wie wahr…da kommen die erinnerungen zurück. auch wenn es immer etwas turbulent und stressig zuging, war es eine schöne zeit und erfahrung. als anfänger hat man noch die freiheit alles fragen zu dürfen und sich selber auszuprobieren, das war etwas großartiges! nach einer weile hat sich das zusammenspiel zwischen hochzeiten im büro und dem privatleben auch ganz gut eingespielt. man erlebt die freie zeit viel intensiver. architekt-sein ist kein 9-18uhr-job, so lebt man was man liebt ;)

    1. Wenn das Büro ein ausgeglichenes Leben ermöglicht, dann kann der Job wirklich zur Berufung werden, das stimmt. Es gibt aber auch Firmen, an denen arbeitet man sich wortwörtlich kaputt. Man braucht etwas Glück mit der Suche und den Mut, sich ggf wieder zu verabschieden, um nicht Sklave eines Träumers zu werden.

      Wenn man am gleichen Strang zieht, kann es ein sehr erfüllender Job sein, ja ^^ aber nur „wenn.“

      LG und vielen Dank für den Kommentar :)
      Julia

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